Hans-Dieter Fronz, Mai 2009
Wie Luftgeister
Herta Seibt de Zinsers Stahlskulpturen im Parkgelände
um das Herz-Zentrum Bad Krozingen
Linien im Gras, als hätte ein Riese spielerisch dreidimensionale Figuren in den Raum gezeichnet – oder seine ungeheure Signatur hinterlassen: in rostfarbenem Stahl. Das reizvolle Parkgelände um das Herz-Zentrum Bad Krozingen ist eine ideale Bühne für die raumgreifenden Stahlskulpturen von Herta Seibt de Zinser. Ohne Scheu gesellen sie sich zur Parkflora – suchen die Nähe von Büschen und Bäumen, delektieren sich zwischen Lorbeer, Buchsbaum und Ahorn. Oder sie entfalten sich in schöner Freiheit auf weiter Wiese, dankbar und froh so viel Raum für sich selbst.
Buchstäblich aus einem Guss sind die Arbeiten: gefertigt aus daumendickem gebogenem Eisenrohr, das sich in großen Schwingungen und Kurven durch den Raum zieht. Manchmal schließt sich das Rohr zu einer Endloslinie – wie diese Skulptur, die mit ihren weichen Windungen dem organischen Formenkanon eines Hans Arp oder Henry Moore entsprungen sein könnte. Aber wo sich die Skulpturen von Arp und Moore zu körperhafter Konsistenz verdichten, bleibt die Kunst von Herta Seibt de Zinser luftig–linear. Darin liegt ihre Originalität; es will einem durchaus kein Vergleich dazu aus der Kunstgeschichte einfallen. Federleicht, nein: schwerelos wirken diese Skulpturen. Oft erheben sie sich auf nicht mehr als zwei „Beinen“ des Anfangs – und Endstücks der Rohre. Wenn nötig, vermittelt ein dritter oder vierter „Fuß“ zusätzlichen Halt – wenn die kurvenreiche Linie den Boden an weiteren Stellen weniger sich abstützend berührt, als dass sie ihn in der schwungvollen Bewegung mehr nur flüchtig streift. Bewegung – tänzerisch, tänzelnd – ist überhaupt die Signatur der Skulpturen.
Nur manchmal duckt sich eine zwischen zwei niedere Büsche. Anderwärts streift eine Skulptur das Figürliche und lässt andeutungsweise menschliche Gestalten statisch aus dem Gras wachsen – um sogleich wieder amorph zu zerfließen. Bewegt wirken die Plastiken auch in dem Sinn, dass sie mit dem Parkspaziergänger sozusagen mitwandern: Jeder neue Standpunkt ergibt eine veränderte Ansicht, bietet einen neuen Aspekt.
In diesem Sinne verändern die Skulpturen unaufhörlich proteusartig ihr Gesicht. Schneiden, heiter gestimmt in schwerenlosem Sein, immer neue Grimassen. Blicken dem Parkflaneur aus großen runden Augen nach. Irgendwie belebt und beseelt jedensfalls wirken sie. Zweifellos handelt es sich bei den Eisenskulpturen von Herta Seibt de Zinser um Inkarnationen von Natur-und Luftgeistern, Materialisationen ungreifbarer, physikalisch nicht messbarer Kräfte und Energien.